Grundlinien der Hackbrettgeschichte

Lorenz de Biasio (2014)

Das Hackbrett (auch Cymbalon, Dulcimer, Tympanon, Salterio etc. genannt) tritt in der abendländischen Musikgeschichte seit Anfang des 15. Jahrhunderts auf. So sind auf einem burgundischen Teppich aus der Zeit um 1420 eine Harfenistin und ein Hackbrettspieler zu sehen. Eine ganze Reihe späterer Darstellungen zeigt, dass dieses frühe Hackbrett recht klein dimensioniert und sein Corpus rechteckig oder trapezförmig war. Schriftliche Quellen des 15.Jahrhunderts überliefern für diese Instrumente die volkssprachliche Bezeichnung „doulcmer“ und die lateinische Bezeichnung „Dulce Melos“.

Dieses Dulce Melos verfügte damals lediglich über einen Tonumfang von eineinhalb (diatoni- schen) Oktaven, die durch acht Saitenchöre und einen Quintensteg auf der linken Seite des Instruments ermöglicht wurde.
Trotz dieser recht spärlichen Ausstattung war das Dulce Melos, das durchaus auch in Verbin- dung mit Orgel und Laute genannt wird, in höfischen Kreisen bis etwa 1520 sehr geschätzt und drang auch nach Italien (1461) und England (1474) vor.

In den Ratsbüchern von Zürich findet sich 1447 erstmals der Begriff „Hackbrett“. 1482 wird in Zürich dann berichtet, dass einem Schulmeister ein Hackbrett gestohlen worden wäre: das Dulce Melos war also, vermutlich in etwas robusterer Bauweise, jetzt auch in den einfache- ren Bevölkerungsschichten angekommen.

Der Nachlass des 1552 verstorbenen Erfurter Fiedlers und Hackbrettbauers Wolff Schmidt (vier nicht mehr fertiggestellte Hackbretter) belegt die Beliebtheit dieses Instruments bei mitteldeutschen Musikanten, die dann ja auch die osteuropäische Cymbaltradition angesto- ßen haben.

Nachdem das Hackbrett seit 1520 nur mehr als „Volksinstrument“ fortbestand, fehlen uns naturgemäß jegliche Angaben über eine Fortentwicklung sprich mögliche Erweiterungen des Tonumfangs für dieses Instrument. Damit bleibt uns eigentlich nichts anderes übrig, als min- destens bis zur Mitte des 17. Jahrhunderts weiterhin einen sehr überschaubaren Tonvorrat für diese Instrumente anzunehmen.

Umso größeres Erstaunen müssen unter dieser Prämisse jetzt aber die Innovationen ab dem späten 17. Jahrhundert auslösen:
Zunächst einmal wäre hier natürlich Pantaleon Hebenstreit, der berühmteste Hackbrettspie- ler der Geschichte zu nennen. Er konstruierte ca. 1690 ein Cymbal mit über vier Oktaven (G bis e3) Umfang plus einer diatonischen Bassreihe bis hinunter zum Kontra E.

Der Kantor Johannes Kuhnau hat dieses Instrument für die „Critica Musica“ vorgestellt und geradezu enthusiastisch gefeiert. Notenmaterial dafür hat sich in Wien erhalten, wo Heben- streits Schüler Maximilian Hellmann zwischen 1725 und 1735 in insgesamt 16 Vokalwerken zur Begleitung von Arien herangezogen wurde.

Ein recht klein dimensioniertes Instrument war das italienische Salterio.
Obwohl dieses in aller Regel gezupft wurde, entspricht es in der Einrichtung der Saitenchöre nicht dem Psalterium, sondern dem Dolce Melos, war also sozusagen ein gezupftes Hack- brett.

Dieses Salterio war in Italien spätestens seit Giacomo Cattaneo, der im Jahr 1700 „Maestro di Salterio e di Violoncello“ am „Collegio dei Nobili“ in Brescia war, in Gebrauch, seine letzte Erwähnung als noch praktiziertes Instrument ist im Jahr 1812 zu finden (Carlo Gervasoni). Die heute noch erhaltenen Noten für das Salterio umfassen so gut wie alle im 18. Jahrhun- dert gebräuchlichen musikalischen Gattungen und stammen beispielsweise von Vivaldi, Vinci, Padre Martini, Jommelli, Salulini, Sammartini, Chiesa und Carlo Monza.

Obwohl die Quantität der Kompositionen von der einzelnen Gattung aus gesehen insgesamt gering war, rangierte das Salterio in Italien in jedem Fall vor Gitarre, Harfe, Mandoline, Blockflöte und sogar auch vor der Laute als solistischem Instrument.
Das 19. Jahrhundert erlebt das Hackbrett zunächst nur mehr als Instrument von Wander- musikanten mit Schwerpunkt auf dem östlichen Europa.

1884 wurde in Budapest dann das am Klavier orientierte Konzertcymbalom erfunden, das bei diversen Komponisten bis heute Beachtung findet. In der Schweiz wurde wieder an die alte Tradition des Hackbretts angeknüpft, in Salzburg entwickelte der Volksmusikant Tobi Reiser in den 30er Jahren des 20. Jahrhunderts ein zunächst nur auf gut zwei Oktaven einge- richtetes, aber voll chromatisiertes Hackbrett.

Dieses wurde in Bayern im Verlauf der Nachkriegszeit stark ausgebaut (sog. Tenorhackbrett etc.) und am Münchner Richard Strauss Konservatorium, seit einigen Jahren sogar an der Musikhochschule München auf Grundlage historischen Notenmaterials für das Salterio wie- der in den klassischen Konzertbetrieb integriert.

„Das Hackbrett ist sehr unmittelbar in der Klangerzeugung. Es gibt keine kunstvolle und trick- reiche Übertragung der Bewegung des Menschen, die im Inneren des Gehäuses verborgen ist, sondern das Zusammenspiel von Mensch und Instrument ist ganz unmittelbar, der Ton geht ganz direkt, ungebremst, sozusagen „wild“ aus der körperlichen Bewegung hervor. Und dieser Vorgang des Anschlagens erzeugt hier diese sphärischen, Raum füllenden Klänge“ (die Komponistin Dorothea Hofmann).